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Sven Bogatzki

Einkauf 2.0: Verhandlungsführung, Prozessoptimierung und Teambuilding

Einkauf 2.0: Verhandlungsführung, Prozessoptimierung und Teambuilding

Das Buch von Einkaufsexperte Sven Bogatzki 

Der Druck für Unternehmen durch die schleppende Wirtschaftsentwicklung, sinkende Kaufkraft und absolute Preistransparenz wird immer größer. Mehr denn je liegt im Einkauf der entscheidende Hebel, um sich in dem schwierigen Marktumfeld zu behaupten.

Sven Bogatzki führt seit über 25 Jahren Einkaufsteams und Abteilungen zum Erfolg und sorgt dafür, dass Unternehmen wieder handlungsfähig werden.

In "Einkauf 2.0 - Verhandlungsführung, Prozessoptimierung und Teambuilding" greift er auf diese Erfahrung zurück und zeigt entscheidende Ansätze und Methoden auf, die den Einkauf in Unternehmen optimieren – praxisnah, authentisch und ganz persönlich.

Normaler Preis 27,00€
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Ein Must-Have für Führungskräfte und Entscheidungsträger

Dieses Buch richtet sich an Führungskräfte im Einkauf, an diejenigen, die es werden wollen, sowie an Firmeninhaber und Geschäftsführer, die erkannt haben, dass im Einkauf großes Potenzial liegt.

Erhalten sie einen Einblick in Das buch einkauf 2.0

Leseprobe Einkauf 2.0

KAPITEL 3: Verschiedene Formen der Verhandlungsführung

Es gibt verschiedene Arten eine Verhandlung zu führen. Wenn du schon einmal ein Seminar zu dem Thema besucht hast, dann wird dir der Dozent wahrscheinlich zu einer Form seiner Wahl geraten und dir erklärt haben, dass alle anderen nichts taugen. Tatsächlich haben alle Formen Vor- und Nachteile. Zum einen kommt es darauf an, was du für ein Typ bist. Zum anderen darauf, wer dir gegenübersitzt. Es kommt darauf an, um welche Sache es geht und wie die Gespräche vorher liefen.


Wie hoch ist der Druck auf beiden Seiten? Wie ist die Stimmung? All das beeinflusst den Verlauf der Verhandlung. Hinzu kommt, dass an einer Verhandlung immer mindestens zwei Personen beteiligt sind und es sehr unwahrscheinlich ist, dass du alleine jeden Schritt bestimmen kannst. Es wird immer wieder vorkommen, dass dein Gegenüber oder aber auch Kollegen das Ruder herumreißen und die Verhandlungsform ändern. Ihr solltet deshalb mit allen gängigen Verhandlungsformen vertraut sein und sie anwenden können. Gehen wir deshalb einmal die wichtigsten Verhandlungsformen durch.

KAPITEL 3.1: Die Basartechnik

Diese Technik kennt wahrscheinlich jeder. Der Verkäufer ruft einen Preis auf, ihr nennt einen viel niedrigeren und ihr nähert euch Schritt für Schritt. Am Ende einigt ihr euch irgendwo zwischen seinem Ausgangspreis und eurem Startgebot.


Fallstricke gibt es bei dieser Form viele. Auf Verkäuferseite besteht die Gefahr, dass der Ausgangspreis bereits so hoch ist, dass es gar nicht erst zu einer Anfrage kommt. Wenn Mitbewerber ähnliche Produkte anbieten, wird das häufig der Fall sein. Zudem gibt es wahrscheinlich auch Kunden, denen diese Form der Verhandlung unangenehm ist.


Gerade wenn diese nicht in der Kultur verankert ist, so wie das zum Beispiel in Deutschland der Fall ist, kann das eher abschreckend wirken.
Ein weiterer Nachteil ist, dass sämtliche regulären Preise des kompletten Sortiments durch diese Art unglaubwürdig werden. Warum sollte ein Kunde bei einem Artikel den UVP bezahlen, wenn er bei einem anderen Artikel 60 Prozent Rabatt rausschlagen konnte?


Mit Nachlässen, die durch die Basartechnik bei einem Artikel entstanden sind, entwertet der Verkäufer sein komplettes Sortiment. Die Entwertung ist dabei viel extremer, als es bei einzelnen, von vornherein reduzierten Artikeln, der Fall wäre. Bei der klar deklarierten Reduzierung einzelner Artikel im Vorfeld ist offensichtlich, dass es sich hierbei um ein Schnäppchen, z. B. aufgrund eines besonderen Angebotes oder aufgrund von Überbeständen, handelt.
Diese Artikel grenzen sich von den regulären Artikeln durch die Präsentation und Deklarierung ganz eindeutig ab.


Lassen Verkäufer bei einem regulären Artikel die Basartechnik zu, dann sollten sie den Rest ihres Sortimentes so kalkuliert haben, dass sie auch bei diesen Artikeln Nachlass geben können. Generell sollten, zumindest in Mitteleuropa, Nachlässe nur mit Begründung gewährt werden.
Aber auch auf Einkäuferseite gibt es extreme Nachteile bei dieser Art der Verhandlung. Schon am Anfang könnt ihr den Deal mit überzogenen Forderungen zum Scheitern bringen. Euer Gegenüber fährt eine Mauer hoch, die ihr nicht mehr durchdringen könnt. Auch im Verlauf des Gesprächs kann es immer wieder zu Komplikationen kommen. Feilschen ist wie ein Kräftemessen, wie Armdrücken. Am Ende tut das auf beiden Seiten weh, und niemand kann sich sicher sein, ob wirklich das beste Ergebnis dabei rausgekommen ist.
Hier ein paar grundsätzliche Tipps zu dieser Verhandlungsmethode:
Wenn du dich als Privatperson auf einem Basar oder Flohmarkt befindest, dann ist es vollkommen in Ordnung zu feilschen. Die Preise sind in der Regel so kalkuliert, dass ein Nachlass gewährt werden kann. Gleiches gilt heutzutage im Übrigen auch beim Kauf vieler Konsumgüter wie Waschmaschinen, Laptops oder auch Küchen.


Die einfachste Art, den richtigen Preis zu bekommen, ist es, den Artikel über eine Preissuchmaschine zu vergleichen und das dem Verkäufer zu zeigen. Dann geht eigentlich immer etwas. Angefangen beim Preis über zusätzlichen Service, andere Zahlungsziele oder Garantieverlängerungen.
Was privat kein Problem ist, sollte im professionellen Umfeld vor allem zu Beginn einer Verhandlung vermieden werden. Zu groß ist die Gefahr, dann doch nicht zum Deal zu kommen, einen zu hohen Preis zu zahlen oder Unzufriedenheit auf einer Seite zu erzeugen. Im schlimmsten Fall wird eure Geschäftsbeziehung langfristig geschädigt. Solltet ihr trotzdem einmal nicht daran vorbeikommen, dann gelten folgende Grundsätze:

  • Ihr müsst den wahren Wert des Produktes so gut wie möglich kennen. Ist es ein innovatives Produkt, ist die Produktion aufwändig oder geht es mehr um den Materialpreis? Wie hoch ist der Materialpreis? Sind die Maschinen und Werkzeuge, die für diesen Artikel eingesetzt werden, bereits abgeschrieben?
  • Je besser ihr einschätzen könnt, wie teuer der Artikel in der Produktion war und für welchen Preis euer Verhandlungspartner den Artikel bezogen hat, umso besser könnt ihr den Verhandlungsspielraum einschätzen.
    • Seine Spanne ist in der Regel euer Verhandlungsspielraum (es sei denn, ihm steht das Wasser bis zum Hals, dann geht mehr).
  • Gibt es vergleichbare Artikel? Wie teuer sind die? Haben die Alternativartikel zusätzliche oder andere Features? Welche Features benötigt ihr bei dem Produkt wirklich? Gibt es für euren Bedarf passendere Alternativen? Woraus setzt sich der Preis zusammen? Oft bestehen die Artikel aus vielen Komponenten. Manche sind unbedingt notwendig, andere sollen einen Mehrwert gegenüber anderen Produkten bieten. Das kann eine höhere Stoffqualität oder ein höherwertigeres Öko-Label, die Verarbeitung oder eine unterschiedliche Ausführung sein.
  • Ihr solltet für euch und eure Zielgruppe einschätzen können, was wirklich entscheidend ist. Für alles andere solltet ihr nicht bezahlen (Design to Value). Ihr müsst wissen, welches Feature wirklich einen Mehrwert bietet und ob dieser Mehrwert auch für euch und euren Kunden entscheidend ist.
  • Gibt es offensichtliche Mängel? Das kann eine schlechte Verarbeitung sein, die den Wert mindert, aber auch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit.
  • Diese Mängel und negativen Erfahrungen sollten mit in die Verhandlung einfließen.
  • Wie hoch ist die Nachfrage? Gibt es mehrere Interessenten und ein begrenztes Angebot, verringert das die Bereitschaft des Verkäufers auf eure Vorstellungen einzugehen. In diesem Fall solltet ihr dennoch klare Vorstellungen davon haben, was das Produkt wirklich wert ist, und davon, was ihr bereit seid dafür zu zahlen. Verknappung ist ein beliebtes Mittel unter Vertrieblern. Dreht den Spieß um!
  • Ihr habt immer nur begrenztes Budget oder begrenzten Lagerplatz.
    Ihr könnt dieses Produkt oder eine Alternative auch beim Konkurrenten erwerben. Entweder also hier oder beim Wettbewerber, beides geht nicht. Fragt nach weiteren Vorzügen. So kommt ihr wieder ins Gespräch.
  • Der wichtigste Punkt ist, erst möglichst spät selbst eine Preisvorstellung zu nennen. Nähert euch stattdessen über offene Fragen, die einen Nachlass bereits implizieren, eurem Ziel. Dabei wird noch keine konkrete Gegenleistung (wie eine höhere Menge) genannt. Entscheidend ist es hierbei, geschlossene Fragen, die mit einem einfachen „Nein“ beantwortet werden können, zu vermeiden.

Beispiele für geschlossene/offene Fragen:
Geschlossene Frage:

„Gibt es einen Nachlass, wenn wir uns jetzt einigen?“ -> Nachteil: Ein einfaches Nein des Verkäufers reicht aus, um die Frage zu beantworten.


Besser (offene Frage): „Wie hoch ist der Nachlass, wenn wir uns jetzt einigen?“
„Bei unserem Unternehmen kann man einen Zahlungsausfall beinahe ausschließen.

Kann man an dem Zahlungsziel noch etwas machen?“
Besser: „Welches Zahlungsziel gewähren Sie bei Unternehmen, bei denen das Risiko eines Zahlungsausfalls ausgeschlossen ist?“
„Gibt es eine Möglichkeit, die Produktion vorzuziehen?“
Besser: „Welche Schritte müssen jetzt unternommen werden, um die Produktion rechtzeitig zu beenden?“

Einfaches Schweigen in Verbindung mit Blickkontakt und dem physischen Signal, nicht mit dem Angebot einverstanden zu sein, kann im Übrigen auch die offene Frage ersetzen, ist aber das aggressivere Mittel. Physische Signale, die zeigen, dass man nicht einverstanden ist, können folgende Bewegungen und Gesichtsausdrücke sein:

• Schulterzucken
• Zurücklehnen
• Lippen aufeinanderpressen
• Arme verschränken
• erwartungsvoller Blickkontakt

Wichtig ist dabei, die Stille wirklich lange aufrecht zu halten. Schweigen ertragen nur sehr wenige Menschen.
Beispiel:
V: „Der Preis ist für dieses Produkt gut. Weiter kann ich nicht runtergehen.“
E: Schweigen (-> verbunden mit einem leichten Kopfschütteln)
Erst wenn ihr mit den offenen Fragen und dem Schweigen nicht mehr weiterkommt, bringt Einwände, negative Konsequenzen und/oder positive Gegenleistungen. Lasst euch auf keinen Fall dazu drängen, frühzeitig euren Preis zu nennen. Erst am Ende, wenn wirklich nichts mehr geht, könnt ihr euren Vorschlag unterbreiten.

Beispiel:
E: „Was ist der Preis für diesen Artikel?“
V: „100 Euro“
E: „Welchen Nachlass bieten Sie mir an?“
V: „Das ist der reguläre Preis für dieses Top-Produkt. Schauen Sie sich die hervorragende Verarbeitung an. Aber ich kann heute ausnahmsweise einen Sonderpreis für Sie machen. 95 Euro!“
E: „Das ist deutlich mehr als andere für diesen Artikel verlangen.“ (Schweigen) -> Das Schweigen fordert ähnlich wie eine offene Frage dazu auf, nachzubessern. Ein Nein ist auf Schweigen nicht möglich!
V: „Was wären Sie bereit zu zahlen?“
E: „Wir müssen zunächst einmal zu einer realistischen Größenordnung kommen. Was ist denn möglich?“ (Wichtig! Hier nicht den Zielpreis nennen!)
V: „Mehr geht nicht!“ (->Block, hier scheint das Ende zu sein)
E: Schweigen
V: „Der Artikel ist das Beste, was es aktuell auf dem Markt gibt. Folgende Features sprechen für sich. Feature: A/C/F! Ich kann und werde nicht weiter nachbessern!“
Wichtig! Erst jetzt, wenn ersichtlich wird, dass die Verhandlungen so nicht mehr weiterkommen und zu scheitern drohen, steigt ihr in die qualitative Diskussion ein.
E: „Feature C und F sind für mich uninteressant. Wenn ich die nicht nehme, was kostet der Artikel dann?“
V: „Den Artikel gibt es nur so, ich könnte aber heute einen Sonderpreis machen! Sagen wir 80 Euro.“
E: „Die Verarbeitung lässt an diesem Punkt zu wünschen übrig. Das ist bei dem Konkurrenzprodukt besser gelöst. Welchen Nachlass gewähren Sie für diesen Mangel?“
V: „Sagen Sie doch einfach, was der Preis ist, den Sie gerne zahlen möchten.“
E: „Zuerst möchte ich wissen, was ich wirklich bekomme. Jetzt einen Preis zu nennen, wäre nicht professionell. Wie lösen wir das Qualitätsproblem. Das mindert den Wert. Welchen Nachlass gewähren Sie aufgrund dieses Fehlers?“
V: „Ok, dafür könnte ich noch einmal etwas runtergehen auf 72 Euro. Das ist aber mein letzter Preis!“
E: „Der Artikel hat einen Materialwert von ca. 37 Euro. Die zusätzlichen Features benötige ich nicht, aber ich würde trotzdem gerne mit Ihnen ins Geschäft kommen. Ich weiß, Sie müssen auch etwas verdienen, aber aktuell sind wir noch sehr weit von dem realistischen Preis entfernt.“
V: „OK, 68 Euro! Das ist das letzte Angebot!
E: „Hört sich für mich immer noch nicht überzeugend an … Ich muss mich heute zwischen diesem Produkt und der Alternative des Wettbewerbers entscheiden, und Sie machen es mir gerade nicht leicht. Der Preisunterschied zwischen ihrem Produkt und dem des Wettbewerbers ist immer noch sehr hoch.“ (Wichtig ist hierbei, sich auch mit dem Wettbewerbsprodukt auseinandergesetzt zu haben und ein wirklich vergleichbares Produkt auszuwählen. Ansonsten wird dieses Argument schnell auseinandergenommen).
Das Ganze fühlt sich wenig professionell an? Mag sein, aber dennoch wird es immer wieder zu dem Punkt in einer Verhandlung kommen, an dem die Technik so angewandt werden kann. Oft ist das auf der Zielgeraden der Fall, also ganz am Ende der Verhandlung. Wenn beide Seiten schon viel Zeit und Mühe investiert haben und den Sack zumachen wollen.
Versucht die Verhandlung so zu lenken, dass dieses Geschacher, wenn überhaupt, wirklich erst am Ende einsetzt. Erst ganz zum Schluss, erst wenn ihr merkt, es geht wirklich nichts mehr, nennt ihr euren Zielpreis und ihr nähert euch Schritt für Schritt, um euch dann in der Mitte zu treffen.
Das Vorgehen ist also immer wie folgt:

1. durch offene Fragen dem Zielpreis nähern


2. wenn nichts mehr geht, Einwände/ Mängel aufzeigen


3. negative Konsequenzen aufzeigen

Negative Konsequenzen könnten sein:

• der Deal platzt (nur anwenden, wenn das tatsächlich eine akzeptable Option ist)
• eine deutlich kleinere Menge als ursprünglich geplant
• eine erneute Ausschreibung und dadurch weitere neue Wettbewerber
• eine Vertagung (heute leider kein Abschluss)


4. Positive Gegenleistungen aufzeigen:
• eine höhere Menge
• ein verbindlicher Forecast
• ein höherer Lieferantenstatus

5. Abschluss

KAPITEL 3.2: Anker setzen

Es gibt wie immer Ausnahmen von der Regel, erst ganz am Ende den eigenen Wunschpreis zu nennen. Wenn euer Ziel so weit von dem aktuellen Kurs entfernt liegt, dass euer Verhandlungspartner darauf nicht kommen kann, dann ist es sinnvoll, schon am Anfang mit einer konkreten Forderung zu starten. Ansonsten nähert sich euer Verhandlungspartner in 0,02er-Schritten eurem Ziel und ihr kommt nie an, weil Ihr eigentlich eine Verbesserung von sieben Prozentpunkten benötigt.
Dieses Vorgehen, frühzeitig ein sehr sportliches Ziel zu nennen, nennt sich Ankertechnik.
Der Effekt ist wissenschaftlich belegt, und diese Technik ist eines der wirksamsten Mittel, die in einer Verhandlung genutzt werden können. Selbst absurd hohe Anker bewirken etwas, auch bei den Personen, die diese Methode kennen. Studien mit erfahrenen Richtern haben gezeigt, dass selbst unglaubwürdig hohe Anträge auf Schadenersatzforderungen oder eine extrem hohe Haftdauer Richter maßgeblich im Strafmaß beeinflussen.
Der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Daniel Kahnemann, bat Versuchspersonen zu schätzen, wie viel Prozent der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen afrikanische Länder sind.
Im ersten Schritt sollten die Teilnehmenden ein Glücksrad drehen und beantworten, ob die wirkliche Prozentzahl über oder unter der gedrehten Zahl liegt. Das Glücksrad war allerdings manipuliert und blieb entweder bei zehn oder 65 stehen.
Wenn das Rad bei zehn stoppte, lag die Schätzung der Teilnehmenden für den prozentualen Anteil der afrikanischen Länder in der UNO im Durchschnitt bei 25 Prozent. Stoppte das Rad dagegen bei 65, lag die Schätzung bei durchschnittlich 45 Prozent.
Warum? Die Teilnehmer fingen an nachzudenken, ob der korrekte Wert in der Nähe des Ankers liegen könnte, und sich Umstände vorzustellen, die dies plausibel erscheinen ließen. Umstände, die gegen den Wert des Ankers sprachen, blieben unberücksichtigt.
Als ich bei meinem letzten Arbeitgeber begann, blieb mir nichts anderes übrig, als diese Ankertechnik anzuwenden. Wir waren Welten von wettbewerbsfähigen Preisen entfernt. Der Grund:
Viele Lieferanten bilden Marktcluster. Es wird unterschieden zwischen reinen Onlinehändlern (schlechtestes Cluster), reinen stationären Playern und Omnichannel-Händlern, also Marktteilnehmern, die beide Vertriebskanäle bedienen (bestes Cluster).
Innerhalb des Clusters wird noch einmal unterschieden, in welcher Qualität dieses Segment bedient und welcher Umsatz generiert wird. Hinzu kommen die Bedingungen der Zusammenarbeit.
Gibt es ein Zentrallager, einen zentralen Ansprechpartner, gemeinsame Marketingaktionen? Auf den ersten Blick also eine objektive Einschätzung des Kunden und der Ansprüche auf die jeweiligen Konditionen.
Wir waren damals im schlechtesten Cluster mit den schlechtesten Konditionen.
Um auf dem Markt mitspielen zu können, reichte es nicht aus, in diesem Cluster eine leichte Verbesserung zu erzielen. Wir benötigten einen wirklichen Konditionssprung. In diesem Fall war der Anker die einzige Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen.
Damit der Verhandlungspartner nicht direkt aufsteht und das Gespräch verlässt, sollte bei der Ankertechnik folgendes beachtet werden:
Gesprächsführung übernehmen
Ihr übernehmt von Anfang an die Gesprächsführung, am besten mit Hilfe einer Präsentation. Euer Verhandlungspartner wird nicht während der Präsentation aufstehen und gehen. Er wird sie sich bis zum Ende anschauen. Zudem wird die Kombination aus geschriebenen Worten und gesprochener Erklärung immer eher als Fakt empfunden, als wenn alles nur auf der Tonspur läuft.

Stärken aufzeigen
Die Präsentation ist voll mit positiven Argumenten. Was zeichnet eure Firma aus? Was macht sie für euren Verhandlungspartner bereits heute besonders wertvoll?

Belege präsentieren, Vertrauen schaffen

Habt ihr Auszeichnungen erhalten? Sind eure Produkte nach einer Norm zertifiziert? Zeigt sämtlichen Siegel, die für Vertrauen stehen.

Möglichkeiten aufzeigen
Welche Zusammenarbeit wäre möglich, wenn es zu einer Einigung kommt? Zeigt auf, welches Umsatzpotential ihr seht. Was interessiert euren Partner noch? Was könnt ihr ihm neben dem Umsatz noch bieten? Warum lohnt es sich für euren Partner, die Zusammenarbeit komplett neu zu überdenken? Wie zahlen sich die für ihn schlechteren Konditionen am Ende doch aus?


Dieser Punkt muss klar beantwortet werden und realistisch sein. Ihr werdet am Ende daran gemessen. Dieser Punkt ist extrem wichtig!
Oft ist das der Zeitpunkt, an dem der routinierte Vertriebler euch festnageln möchte.
Da steht, dass 60 Prozent Umsatzsteigerung möglich sind?! Die nimmt er! Aber erst, wenn ihr das bewiesen habt, gibt es eventuell mehr! Erst dann gibt es weitere Gespräche über zusätzliche Konditionen.
Das ist der Klassiker, und ihr solltet euch davon nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Bittet darum, die Verhandlung erst im Anschluss an eure Präsentation zu führen. Es kommen ja noch viele interessante Fakten. Wenn euer Anker am Ende dann erstmal gesetzt ist, dann steigt ihr ein.
Bis zu 60 Prozent Umsatzsteigerung sind das Maximalziel und unter optimalen Bedingungen möglich. Eine Voraussetzung dafür ist aber, dass euer Partner auch zu 100 Prozent auf eure Forderung eingeht. Das wird er nicht tun, und damit seid ihr auch nicht mehr an die 60 Prozent gebunden.
Euer Partner wird dennoch darauf drängen, gemeinsame Ziele festzulegen. Das ist ok.
Die Ziele sollten aber unbedingt realistisch sein. Es ist nie gut, wenn ihr bereits am Anfang hinter euren Zielen herlauft.

Weitere Belege – sein größter Konkurrent
Gibt es erfolgreiche Beispiele, bei denen schon eine Einigung erzielt werden konnte? Am besten wäre natürlich eine lohnende Zusammenarbeit mit einem seiner größten Konkurrenten. Niemand will, dass der ungeliebte Mitbewerber an einem vorbeizieht.

Entkräfte Befürchtungen deines Partners!

Was sind die größten Sorgen? Entkräftet Befürchtungen immer mit positiven statt negativen Aussagen!
Falsch: „Wir werden deine neuesten Premiumprodukte nicht in unserem Sale verramschen!“
Richtig: „Diese Premiumprodukte erhalten bei uns eine Premiumplatzierung!“ Wenn möglich, visualisiert euer Vorhaben in der Präsentation. Wie könnte eine Premiumplatzierung aussehen?

Weitere Entscheider
Zu diesem Zeitpunkt habt ihr euren Gesprächspartner im besten Fall schon in die Stimmung versetzt, eure Zusammenarbeit noch einmal neu zu überdenken. Es gibt aber möglicherweise noch weitere Personen in seiner Firma, die er mitnehmen muss. Wen muss er intern noch überzeugen? Findet auch für diese Personen die richtigen Argumente.
Sendet eurem Verhandlungspartner die Präsentation im Anschluss an euren Termin zu und bietet an, weitere Fragen auch gerne später noch zu beantworten. Er kann die Präsentation mit euren Argumenten dann auch intern verwenden.

Der Anker

Zum Schluss eurer Präsentation kommt der Anker. Die Forderung steht auf dem Bildschirm. Mit diesem Anker steigt ihr in die Diskussion ein, während die Präsentation sichtbar bleibt. Im besten Fall steht euer Anker während der gesamten Verhandlung in großen Lettern an der Wand.
Was, wenn diese Technik bei euch angewandt wird? Entscheidend ist, euch so schnell wie möglich von dem Anker zu lösen. Macht klar, dass die Forderung weit von dem entfernt liegt, was überhaupt denkbar ist. Wenn der Verkäufer bei seiner Technik bleibt, dann betont nochmal eindringlich, dass ihr so nicht weiterkommt.
Lasst euch nicht darauf ein, auf Basis dieses Ankers jetzt zur Basartechnik überzugehen. Wenn nichts mehr hilft, dann bricht die Verhandlung ab.
Sammelt im Anschluss alle Argumente, die gegen diesen Preis sprechen, und solche, die für euren Zielpreis sprechen.
Im Vorfeld des nächsten Gesprächs muss klar sein, dass die Forderung (der Anker) eures Verhandlungspartners vom Tisch ist. Erst dann können die Gespräche fortgesetzt werden.

KAPITEL 3.3: Das Harvard-Konzept und der kooperative Verhandlungsstil

Solltest du bereits ein Buch zum Thema Verhandlungsführung gelesen haben, egal ob es ein Vertriebsratgeber oder ein Buch für Einkäufer war, dann hast du wahrscheinlich schon vom Harvard-Konzept gehört. Es ist die beste Basis, um erfolgreich verhandeln zu können.


Das Harvard-Konzept ist eine Methode, die auf den Prinzipien der Effektivität, des Respekts und der Fairness basiert und auf eine langfristig erfolgreiche Partnerschaft setzt. Sie wurde von den Professoren William Urvy und Roger Fisher an der Harvard Law School entwickelt und wird heute bei Verhandlungen und Konfliktlösungen in nahezu allen Bereichen eingesetzt. Das Konzept beruht auf vier Grundsätzen:

Trennung von Personen und Problemen
Beispiel: Du sitzt deinem Verhandlungspartner gegenüber und kannst ihn nicht leiden. Mal abgesehen von komplett unterschiedlichen Weltanschauungen trägt er auch noch unmögliche Kleidung und riecht nach zu viel schlechtem Aftershave. Am liebsten würdest du den Raum verlassen, aber das Geschäft ist zu wichtig.
Der Harvard-Ansatz bedeutet hier, all das auszublenden, was mit der Person zu tun hat und sich nur auf die Fakten zu fokussieren: auf die Qualität des Produktes, auf den Preis, die Lieferbedingungen, die Zahlungsziele …

Fokussierung auf Interessen statt Positionen
Beispiel: Euer Verhandlungspartner fordert für das Produkt, das er euch seit Jahren liefert, mehr Geld. Euer Ziel war eine Preissenkung. Beide Verhandlungspartner haben festgefahrene Positionen. In diesem Moment sollten die Interessen in den Vordergrund gestellt werden. Ihr solltet euch die Fragen „Warum?“ und „Warum nicht?“ stellen.

Diese Kapitel erwarten Sie in Einkauf 2.0

 Die Vorbereitung

  • Die Basisvorbereitung – deine Stärken
  • Die Stärken der anderen
  • Die Einwandbehandlung
  • Die Bumerang-Technik
  • Unsere Ziele und die Ziele der anderen
  • Die Verkäufertypen
  • Der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen
  • Kurz vor der Verhandlung

Verschiedene Formen der Verhandlungsführung

  • Die Basartechnik
  • Anker setzen
  • Das Harvard-Konzept und der kooperative Verhandlungsstil
  • Ihr habt das gleiche Ziel
  • Konfrontativer Verhandlungsstil
  • Reziprozität
  • Verfahrene Verhandlungssituationen
  • Grundsätzliche Verhandlungstipps
  • Übung macht den Meister

Sourcing Strategien & Make Or Buy-Analyse

  • Single Sourcing vs. Dual/Multiple Sourcing
  • Local Sourcing vs. Global Sourcing
  • Modular Sourcing
  • Design to Value (DTV)

Mitarbeitermotivation

  • Motivation – die Basics
  • Intrinsische & Extrinsische Motivation
  • Motivation für unterschiedliche Mitarbeitertypen
  • Drama-Dreieck
  • Unternehmensziele
  • Die Ivy Lee-Methode
  • Homeoffice
  • Techniken und Tools aus dem Systemischen Coaching
  • Mikrothesen im Coaching
  • Teams – Was tun, wenn es mal brennt

Change Projekte

  • Das SCARF-Modell
  • Stakeholder Management
  • Dein Projektteam
  • Framing
  • Leading from the future
  • Der Projektplan – Ressourcenmanagement
  • Die Umsetzung
  • Projektabschluss
  • Achtsamkeit in Change-Projekten

Abteilungsstruktur

  • Hierarchien und Aufstiegsmöglichkeiten
  • Artikel- und Lieferantenclusterung
  • Trennung von operativem und strategischem Einkauf

Einkaufs-Controlling & Kennzahlen

  • Datenvorauswahl, Analyse und Interpretation
  • Externes Einkaufs-Controlling